Neues aus der Wissenschaft

Hier finden Sie Ergebnisse wissenschaftlicher Studien rund um die Arbeitszeit. Dabei handelt es sich um eine Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mit der Verlinkung haben Sie einen schnellen Zugang zum Bericht der Autor*innen und können noch tiefer in die Ergebnisse schauen.


Homeoffice ist nicht per se die Lösung von Vereinbarkeitsproblemen

Bereits vor Corona wurde im AOK Fehlzeitenreport 2019 die Gruppe der „Inhouse worker“ mit einer Beschäftigtengruppe verglichen, die ganz oder teilweise mobil arbeiten. Letztere schätzen insbesondere die selbstständigere Arbeitsplanung, größere Entscheidungsfreiheit, Mitspracherechte sowie die damit verbundene höhere Autonomie. Die Mehrheit gibt an, zuhause mehr Arbeit zu bewältigen und konzentrierter arbeiten zu können.

 

Im Vergleich zu „Inhouse-Beschäftigten“ zeigt sich bei solchen, die auch im Homeoffice arbeiten, eine stärkere Auflösung zwischen Privat- und Berufsleben. So hat etwa jede*r Dritte der Tele-Arbeitenden häufig oder sehr häufig Arbeitszeit auf das Wochenende oder den Abend gelegt, um sich während der „normalen“ Betriebszeiten um andere Belange wie Familienleben oder Pflege von Angehörigen kümmern zu können. Der Preis: Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verschwimmt. Auf der einen Seite wird von mobil Arbeitenden nicht selten erwartet, dass sie auch abends, am Wochenende oder im Urlaub erreichbar sind.  Aufgrund beruflicher Verpflichtungen ändern sie häufiger ihre privaten Verpflichtungen als reine Inhouse-Worker.

 

Das Mehr an Flexibilität birgt nicht unerhebliche gesundheitliche Gefahren. So berichten mobil Arbeitende häufiger über Erschöpfung, Nervosität, Reizbarkeit, Lustlosigkeit, Schlafstörungen und Selbstzweifel als reine Inhouse-Worker. Ihre gleichwohl geringeren Fehlzeiten werden führen die Autor*innen darauf zurück, dass mobil Arbeitende im Krankheitsfall weniger arbeiten und verlorene Arbeitszeit später nachholen, was bei festen Anwesenheitszeiten im Betrieb so nicht möglich ist.

 

Die Autor*innen leiten Empfehlungen für eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Digitalisierung ab. Neben Qualifizierungen und Regeln für die Ausgestaltung der Nutzung muss auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement digitale Techniken aufgreifen.

 

Badura, B./ Ducki, A./ Schröder, H./ Klose, J./ Meyer, M. (Hrsg.) (2019): Fehlzeiten-Report 2019: Digitalisierung – gesundes Arbeiten ermöglichen. Heidelberg.


Die Pause – das Multitalent

Die positive Wirkung von Arbeitspausen wird im Arbeitsalltag häufig unterschätzt. In einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin tragen die Autor*innen Ergebnisse zahlreicher Studien zusammen, die zeigen, dass sich Arbeitspausen positiv auf die Gesundheit, das Befinden, die Motivation und nicht zuletzt das Leistung der Beschäftigten auswirken. Deshalb kommt der Pausengestaltung im Betrieb eine besondere Rolle zu.

 

Für eine gute Pausengestaltung sollen neben den Belastungen durch die Arbeit, persönliche Merkmale wie z. B. das Alter der Beschäftigten sowie das sogenannte Erholungssetting (Pausendauer, -ort, -organisation) berücksichtigt werden.

 

Die Autor*innen weisen darauf hin, dass der Schwerpunkt der Pausenforschung lange Jahre auf körperlicher Arbeit lag. Forschungsbedarf besteht insbesondere zur Wirkung von Pausen im Zusammenhang mit modernen Kommunikationsmitteln, Flexibilisierung, Mobilität, Entgrenzung und ständiger Erreichbarkeit.

 

Wendsche, J./ Lohmann-Haislah, A. (2016). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Pausen. 1. Auflage, Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.


Kürzere Ruhezeiten?

Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort. Immer häufiger wird gefragt, ob die gesetzlich vorgesehene 11-stündige, zusammenhängende Ruhezeit noch zeitgemäß ist. Arbeitszeitexpert*innen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin weisen darauf hin, dass eine verkürzte Arbeitsruhe vor allem gesundheitliche Probleme mit sich bringt. So litten Arbeitnehmer*innen mit kürzeren Ruhezeiten häufiger an psychosomatischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Schlafstörungen oder emotionaler Erschöpfung als solche mit mindestens elf Stunden Ruhe. Auch die Work-Life-Balance verschlechtere sich signifikant.

 

Aus Sicht des Arbeitsschutzes stellen die geltenden gesetzlichen Ruhezeiten einen Mindeststandard dar, dessen Einhaltung für eine gesunde Arbeitszeitgestaltung maßgeblich ist. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist daher eine Absenkung der Mindestruhezeit von 11 Stunden abzulehnen.

 

Backhaus, N./ Tisch, A./ Wöhrmann, M. (2018). BAuA-Arbeitszeitbefragung: Vergleich 2015-2017. 1. Auflage; Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2018.


Entgrenzung: Auswirkungen erweiterter arbeitsbezogener Erreichbarkeit

Ständige Erreichbarkeit durch moderne Kommunikationsmedien erhöht die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Freizeit verschwimmen (Entgrenzung). In einer Studie wurden am Beispiel von IT-Beschäftigten vier Beschäftigungstypen entwickelt, die Erreichbar und Entgrenzung ganz unterschiedlich erleben.

 

„Zufrieden Entgrenzte“ sind immer und überall erreichbar. Erreichbarkeit bedeutet für sie Handlungsautonomie. „Getrieben Entgrenzte“ sehen ihre Erreichbarkeit als Notwendigkeit an. Ihre Strategie fokussiert weniger auf Einschränkung der Erreichbarkeit als vielmehr einer Erhöhung der individuellen Effizienz.

 

„Grenzzieher*innen“ haben oftmals berufliche Krisen durch Überlastung oder Problemen bei der Vereinbarkeit erlebt. Darauf basiert der Entschluss, die Lebensbereiche zu differenzieren und Erreichbarkeit einzuschränken.

 

Den „erfolgreichen Grenzzieher*innen“ gelingt die Trennung von Arbeit und Privatleben. Den „belastet Grenzzieher*innen“ gelingt diese Trennung nicht. Die fehlende Grenzziehung wird häufig als eigenes Versagen angesehen.

 

Vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Erlebens von Entgrenzung leiten die Autor*innen Empfehlungen zur Reflektion von Arbeits- und Lebensmodellen für Beschäftigte und Arbeitgeber*innen ab.

 

Menz, W./ Pauls, N./ Pangert, B. (2016). Arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit. Ursachen, Umgangsstrategien und Bewertung am Beispiel von IT-Beschäftigten. In: Wirtschaftspsychologie 55, 2, 2016, S. 55-66.


Arbeitswissenschaftliche Kriterien zur Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit

In zahlreichen Studien wurden die besonderen gesundheitlichen und sozialen Belastungen durch Nacht- und Schichtarbeitet untersucht, so dass wir heute über gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zur Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit verfügen. In §6 ArbZG steht, dass diese im Betrieb anzuwenden sind.

 

Nachtarbeit ist Arbeit gegen die innere Uhr, d. h. gegen den angeborenen Schlaf-Wach-Rhythmus. Eine echte Anpassung der Körperfunktionen kann nicht gelingen, auch wenn Schichtarbeiter subjektiv das Gefühl haben. Da die Schlafdauer geringer und die Qualität des Schlafs am Tag schlechter ist, kommt es zu einem Schlafdefizit, dass mit jeder weiteren Nachtschicht in Folge vergrößert wird. Kurze Nachtschichtphasen beugen sowohl einer versuchten Teilanpassung als auch einem Schlafdefizit vor. Möglichst lange Ruhephasen nach den Nachtschichten helfen, die Belastungen der Nachtarbeit direkt auszugleichen.

 

Schlafdefizite können nicht nur bei der Nachtschicht zum Problem werden, sondern auch bei der Frühschicht, wenn sie zu früh beginnt und so faktisch zur halben Nachtschicht wird. Deshalb sollte eine Frühschicht nicht vor 6.00 Uhr beginnen. Da Nachtschichtler*innen umso länger schlafen, je früher sie zu Bett gehen, sollte die Nachtschicht möglichst früh am Morgen enden.

 

Die Arbeit an Wochenenden führt für Schichtarbeitende und ihre Familien zu sozialen Belastungen. Arbeiten, wenn andere frei haben, führt zur Verschlechterung der Work-Life-Balance. Geblockte freie Tage am Wochenende, so oft es geht im Monat, sind besser als einzelne freie Tage.

 

Arbeitswissenschaftliche Studien zeigen auch, dass gesundheitliche Beschwerden weniger häufig auftreten, wenn die Schichten vorwärts (F-S-N) anstelle von rückwärts (N-S-F) rotieren.

 

Die Ermüdung nimmt im Laufe einer Schicht und mit steigender Anzahl von Schichten in Folge zu. Dabei spielt auch die Arbeitsschwere eine Rolle. Das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen steig. Eine Massierung von Arbeitszeit am Tag sowie in der Woche deshalb vermieden werden.

 

Kurzfristige Wechsel im Schichtplan können weitere Belastungen für Schichtarbeitende darstellen. Sie schränken die Planbarkeit von Freizeit und Privatleben ein. Vorausschauende und transparente Schichtmodelle (Jahrespläne), mit hoher Verbindlichkeit von betrieblicher Seite können die Planbarkeit von Arbeit und Freizeit erhöhen.

 

DGUV (Hrsg.) (2012): Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten. DGUV Report 1/2012.

 

Beermann, B. (2005): Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit. 9. Auflage.